Vom leisen Abschied der lokalen Datenmanager oder der Stunde der Experten

Die Coronakrise macht große Sprünge in der digitalen Weiterentwicklung nötig – in der Praxis aber oft unmöglich. Erschwerend kommt ein Problem hinzu, das viele in der Branche langsam selbst erkennen: ein falsches Selbstbild.

Die Branche habe durch die Pandemie einen nie da gewesenen Digitalisierungsschub erfahren, so die landläufige Meinung. Trotzdem zog Andreas Braun, Chef der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW), kürzlich das Fazit, dass „der Digitalisierungsschub häufig ausbleibt“. Wie passt das zusammen?

Braun bezog sich bei seiner Kritik auf zwei eng miteinander verbundene Bereiche: Datenmanagement und Open Data. Häufig fehle hierfür vor Ort „das Verständnis der politisch Verantwortlichen und vor allem ausreichend Personal und Budget“, so Braun – und trifft den Nagel auf den Kopf. Auch Daten des aktuellen DMO DigitalMonitors, einer Befragung von 400 Tourismusorganisationen durch DTV und BTE, bestätigen, dass die beiden größten Hindernisse bei der Implementierung digitaler Instrumente „fehlende finanzielle Ressourcen“ (77 %) und „fehlendes Know-how“ (57 %) auf Seiten der Mitarbeiter sind.

Fehlende Ressourcen und Know-how

Vor allem der Punkt Personal verdient eine genauere Betrachtung, wenn man verstehen will, warum es derzeit bei den vielen Lippenbekenntnissen so langsam vorangeht. Denn von der rein technischen Seite stehen die Datenbanken inzwischen in fast jedem Bundesland voll einsatzfähig bereit. Content, sofern entsprechend eingepflegt, kann auf vielen Kanälen – sogar teilweise schon relational verknüpft – ausgespielt werden. Selbst erste KI-Anwendungen ziehen sich Daten, zum Beispiel für Chatbots zur 24/7-Gästeinformation. Doch während die Ebene der Landesmarketingorganisationen mittlerweile Arbeitsgruppen und Mitarbeiter hat, die sich um die Digitalisierungsaufgaben kümmern, fehlt dieses Expertentum auf Ebene der Destinationen und besonders in den TI’s. Zumindest, wenn man meint, dass derlei Expertise auf dieser Ebene erforderlich ist.

Liest man sich aktuelle Stellenausschreibungen für Neubesetzungen von Leitungspositionen auf DMO/TI-Ebene durch, klingt das in etwa so: Der gesuchte Destinationsmanager soll für die Entwicklung neuer Produkte „große Marktkenntnis und Qualitätsverständnis“ mitbringen, also die Eigenheiten der ohnehin schon komplexen Querschnittsbranche Tourismus verinnerlicht haben. Er oder sie soll auch „Kampagnen selbstständig planen und steuern“ können – also über solides Marketing-Know-how verfügen. Dazu soll man „Mitarbeiter steuern“ und „Projektgruppen leiten“ können. Und nicht zu vergessen: Die neue Führungskraft soll „sich um die Implementierung neuer Systeme, die Weiterentwicklung bestehender digitaler Infrastruktur und die Content-Strategie kümmern“.
Kurz gesagt: Gesucht wird die eierlegende Wollmilchsau.

Übersteigerte Erwartungen an Mitarbeiter

Was auf LMO-Ebene in unterschiedlichen Teams bearbeitet und geleistet wird, sollen Geschäftsführer, ihre Stellvertreter oder TI-Leitungen in den Destinationen als Einzelkämpfer schaffen. Irgend- wie. Unterstützt vielerorts nur von drei oder vier Mitarbeitern, die manchmal nicht einmal Vollzeit im Einsatz sind. Und als sei das nicht schon frustrierend genug, bleibt die Bezahlung in den Tourismusorganisationen hinter der freien Wirtschaft und anderen Branchen zurück. Die Coronakrise mit vielen Monaten Kurzarbeit im touristischen Bereich war daher für viele nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht– beziehungsweise zum Wechsel in andere Branchen veranlasst hat.

Das nach außen so gerne vermittelte Bild einer Branche im digitalen Aufbruch – es wackelt! Die Idee, das D in DMO könnte schon bald für „Daten“ und die damit verbundenen Fähigkeiten stehen, grenzt vielerorts an Selbstbetrug. Die Organisationen werden vielmehr in den kommenden Jahren einen harten Kampf bestehen müssen, um wenigstens den Status quo zu halten, um das bis 2019 Erreichte nicht auf viele Jahre zu verlieren.

Zentralisierung als Lösungsansatz

Die Lösung? Zentralisierung und Spezialisierung im digitalen Bereich. Nicht jeder muss Datenmanager sein! Datenbank-Know-how und die Weiterentwicklung der Systeme und Anwendungsbereiche werden sinn- voll – mit Ausnahme großer DMOs – nur auf der LMO-Ebene, bei der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), und bei Agenturen und Softwaredienstleistern gebündelt. Kleinere touristische Einheiten würden primär die Pflege wichtiger statischer Datensätze wie POI-Adressen und Öffnungszeiten beisteuern, könnten sich sonst aber wieder auf ihre Kernaufgabe, die Vermarktung ihrer Region, konzentrieren.

Die Erstellung inspirativen Contents sollte im Sinne der Text- und Bildqualität ohnehin nur auf höheren Organisationsebenen stattfinden. Nur eine LMO oder größere DMO mit Presse- und Kommunikationsabteilung, unterstützt ggf. von Agenturen und ausgestattet mit dem entsprechen- den Etat, kann es bei der Produktion von Inhalten mit Verlagen, Influencern oder reichweitenstarken YouTubern aufnehmen – und somit für OTAs und Plattformen interessant werden.

Wenn jede Einheit sich wieder auf das fokussiert, was sie auf Basis ihrer Ressourcen wirklich leisten kann, wird zu guter Letzt ein weiteres Dauerthema zumindest entschärft: die Mehrfachpflege von Datensätzen in verschiedenen Systemen.