Webuser:innen blitzschnell in den Bann ziehen – 9 Faktoren für gute Bildsprache

Wir haben es schon oft gehört: „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte“. Und genauso ist es: Selbst der sprachgewandteste User reagiert grundsätzlich schneller auf ein Bild als auf Text, weil er es in seiner Gänze binnen kürzester Zeit wahrnehmen kann, während Texte in einer linearen Reihenfolge erst erschlossen werden müssen.

Das ist auch der Grund, warum Redakteur:innen einem Zeitungsartikel ein möglichst aussagekräftiges Bild voranstellen, weil es die Kraft hat, die Leser:innen in den Bann des Artikels zu ziehen. Dabei gilt auch hier die grundsätzliche Wahrnehmungsregel, das Auge des Betrachters nicht zu überfordern, sondern zu führen, indem bestimmte Interessens- oder Orientierungspunkte angeboten werden. Doch was genau sind diese Faktoren einer guten Lenkung des Betrachterauges?

Dieser Artikel beleuchtet 9 unterschiedliche Qualitätsmerkmale, die ein Bild qualitativ gut und so interessant machen können, dass die User:innen weiterem Content eher nachgehen und generell dem Webauftritt eine höhere Wertigkeit zuordnen.
Faktor 1: Gute Bildqualität

Digitalpräsenzen befinden sich heutzutage in einem Dilemma: eine schnelle Ladezeit wird genauso von den heutigen User:innen erwartet wie hochwertiges Bildmaterial, deren Dateigröße der Ladezeit der Website gegenübersteht. Wann ist ein Bild wirklich gut genug? Das hängt natürlich vom Einsatzort des Bildes ab. Ein bildschirmfüllendes Hintergrundbild muss eine viel größere Dimension aufweisen als etwa ein kleines Teaserbild. Doch einen Anhaltspunkt gibt es für alle Bilder: Sogenannte jpg-Artefakte, blockartig auffällige Pixelstörungen, die durch zu starke JPG-Bild-Komprimierung entstehen, sollten unbedingt vermieden werden. Die Erkennbarkeit einzelner Pixel auch ohne Störung in der Farbe ist auch ein Indiz, dass das Bild eine viel zu geringe Auflösung für den Einsatz aufweist.

Noch ein Tipp an dieser Stelle:
Damit sich zu große Kopf- und Hintergrundbilder nicht negativ auf die Ladezeit der Webseite auswirken, können diese mithilfe von Websites wie tinyjpg.com optimiert werden. Mithilfe dieses Tools werden ähnliche Farben in einem Bild kombiniert (Quantisierung) und unnötige Metadaten entfernt, sodass die Dateigröße verringert wird. Die Qualität des Bildes bleibt dabei visuell unverändert. Die Dateigröße eines Bildes für den digitalen Gebrauch sollte auch nach der Optimierung maximal 1 MB betragen.

Faktor 2: Einheitliche Farbstimmung

Spätestens seit Instagram ist die Kraft der unterschiedlichsten Filter auch allen Nicht-Designer:innen bekannt und zugänglich. Und wenn man sich die erfolgreichsten Blogger:innen oder Instagrammer:innen anschaut, haben alle Profile zwar unterschiedliche Bildstile von zurückhaltend-natürlich bis hin zu laut-farbenfroh, doch entscheidend sind in diesem Zusammenhang vor allem zwei Dinge: ob der Stil zu dem präsentierten Content passt und ob der ausgesuchte Filter auch konsequent eingesetzt wird.
Grundsätzlich gilt: Wenn Sie sich in Sachen Filter noch unsicher sind, bleiben Sie der naturnahen Darstellung der Farben und Effekte treu. Wenn Sie sich bereits zu einem Fotografieprofi zählen, steht auch einem experimentelleren Filter nichts im Wege.

Faktor 3: Der Goldene Schnitt

Bereits in der Antike wurde die Theorie des Goldenen Schnittes von Euklid (ca. 360—280 v. Chr.) aufgestellt. Die uralte Gestaltungsregel besagt, dass eine Komposition mit bestimmten Verhältnissen zweier Größen zueinander als besonders harmonisch und ästhetisch empfunden wird. Ohne zu weit in die mathematische Welt der Zahl Phi oder etwa der Fibanocci-Regel einzusteigen, gehen wir gleich darauf ein, wie der Goldene Schnitt ganz einfach und praktisch auf Bilder angewendet werden kann. Durch eine Aufteilung des Rasters in drei horizontale und drei vertikale Teile kann eine optimale Positionierung des Hauptmotivs erreicht werden. Außerdem lässt sich dabei gleich prüfen, ob der Horizont auch gerade geraten ist.

Faktor 4: Tiefeneffekt

Eins der Hauptwahrnehmungsprinzipien unseres Auges ist das der Hierarchie, denn so konnten bereits unsere Vorfahren in Afrika Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, was in der Zeit so manches Mal über Leben und Tod entschied. Durch eine Einteilung eines Bildes in Vorder-, Mittel- und Hintergrund helfen wir auch den heutigen User:innen, sich schneller zurechtzufinden und erhöhen damit die Chance, dass sie länger auf unserer Seite verweilen. Ein klarer Fokuspunkt mit Tiefenschärfe und dadurch entstehende Räumlichkeit sind hierbei einfacher erfassbar als ein zu kleinteiliges Bild, auf dem jedes abgebildete Motiv genau die gleiche Bedeutung hat und keine Hierarchie vorhanden ist.

Faktor 5: Führungslinien

Wir kennen es nur allzu gut aus unserem Alltag im Straßenverkehr: Ein Pfeil nach rechts, ein Stop-Schild, eine Ampel – sie helfen uns, unseren Weg zum gewünschten Ziel zu finden.

In vielen Bildern ist ein solches Ziel das Hauptmotiv, das nicht nur zügig entdeckt und erfasst werden, sondern das Betrachterauge möglichst in seinen Bann ziehen möchte.

Versteckte indirekte Führungslinien oder Blickrichtungen innerhalb des Bildes übernehmen hierbei die Funktion der Straßenschilder.

Faktor 6: Ungewöhnliche Perspektiven

Wir leben in einer Welt, in der die Informationsflut in Form von Text, Bild und Video noch nie größer war. Wenn ein:e User:in auf Ihrer Website landet, hat er/sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits eine Vielzahl von Wahrnehmungserfahrungen gemacht und schlichtweg schon viel gesehen.

Um so spannender ist dann dieser Faktor, der Bekanntes in neuen Perspektiven zu zeigen vermag. Überlegen Sie daher, ob eine Änderung der Perspektive aus der Luft, von ganz unten oder z. B. als Nahaufnahme Ihrem Thema visuell frischen Wind einhaucht.

Faktor 7: Storytelling

Es ist eine biologische Tatsache: Unser Gehirn kann Informationen in Form einer Geschichte besser und schneller verarbeiten und bedient das Bedürfnis, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Bereits ein einziges Bild hat dabei das Potential, eine kleine Geschichte zu erzählen und ihm damit Vielschichtigkeit zu verleihen, die die Neugier und das Entdeckertum der User:innen anspricht.

Im Beispielfoto ist eben nicht nur eine Gruppe von Freunden zu sehen, die sich zum Sonnenauf- oder untergang auf einem Berg gefunden hat, sondern lässt auch Schritt für Schritt entdecken, wie sie angereist ist und was sie noch vorhaben.

Faktor 8: Emotion und Stimmung

Stellen Sie sich vor, Sie sollen einen Spielplatz für Kinder bewerben. Was wird dabei mehr Erfolg haben: Bilder der Spiel- und Turngeräte oder eine Aufnahme, wie lachende Kinder gerade die coole Rutsche des Platzes ausprobieren? Denn auch das ist erwiesen: Finden auf einem Bild menschliche Interaktionen oder Emotionen statt, zieht es die Aufmerksamkeit des Betrachterauges auf sich. Menschen reagieren auf Menschen.
Machen Sie sich also dieses uralte Wahrnehmungsprinzip zunutze und versuchen, authentische Emotionen von Menschen einzufangen, die im besten Fall noch Vertreter:innen Ihrer Zielgruppe sind.

Faktor 9: Der Betrachter als Teilnehmer

Wie können User:innen besser in den Bann eines Bildes gezogen werden, als wenn sie selbst Teil dessen werden? Genau darum geht es bei unserem letzten Faktor. Die bekanntesten Vertreter, die sich dieses Hilfsmittels bedienen, sind die Kajakfahrer, die uns ihre Perspektive zeigen: die Spitze des Kajaks und die davor liegende, atemberaubende Landschaft.

Ebenso nehmen die Betrachter:innen in unserem Beispielbild die Position des Kletterers selbst ein und sind damit ganz nah am Geschehen.

Checkliste zur Bildsprache

  • Ist die Bildqualität gut genug oder ist ein jpg-Artefakt zu erkennen?
  • Liegt allen Bildern der gleiche Bildstil/Bildfilter zugrunde?
  • Folgt die Bildkomposition der Drittelregel oder einem symmetrischen Aufbau?
  • Hat das Bild eine Tiefenwirkung (Vorder-, Mittel- und Hintergrund)?
  • Gibt es Führungslinien oder Blickperspektiven, die den Betrachter „ins Bild hineinziehen“?
  • Liegt eine ungewöhnliche Perspektive vor, die das Bild interessant macht?
  • Kann man im Bild schrittweise immer mehr Motive entdecken, die eine Geschichte erzählen?
  • Finden im Bild menschliche Interaktionen oder Emotionen statt?
  • Ist die Perspektive so gewählt, dass die Betrachter:innen Teil des Motivs werden?