Künstliche Intelligenz braucht kein Open Data

Sie heißen Amazon Echo, Google Home und Apple Homepod und sie beschäftigen uns nachhaltig. Nicht nur, dass die intelligenten Lautsprecher im inflationären Ausmaß unter dem Christbaum lagen. Sie sind auch der Katalisator für eine – aus globaler Perspektive betrachtet – einzigartige Brancheninitiative: die strukturierte Aufbereitung touristischen Contents via Open Data.

Es ist ein ehrenwertes Ziel, den Tourismus fit zu machen für das heranrasende Zeitalter der künstlichen Intelligenz. Und es ist dringend geboten, gleiche Spielfelder zu schaffen zwischen den globalen IT-Giganten, die ihre mitdenkenden Lautsprecher millionenfach in deutschen Wohnzimmer verteilen und jene, die hier traditionell die Lufthoheit haben: den Gastgebern etwa aus Destination Marketing und Hotellerie.

Leider ist der aktuelle Open-Data-Hype, der aus gutem Grund nur von der Minderheit der deutschsprachigen DMO getragen wird, mit ein paar gravierenden Denkfehlern behaftet. Die wichtigsten sind hier aufgezählt:

  1. Wer ebenbürtig mit Google, Apple, Facebook und Amazon (die „GAFA“) agieren will, tut gut daran, sein Geschäft nicht bedingungslos an deren Spielregeln anzupassen.
    Richtig ist, dass die „GAFA“ gemeinhin jene Inhalte bevorzugt listen, die verständlich strukturiert sind. Eines der populärsten Standards im Google-Reich ist Schema.org. Weitere sind der Facebook Open Graph oder auch touristisch etablierte Normen wie der Datenstandard des Deutschen Reise Verbands mit einer komplexen Liste so genannter Global Types oder die Attribute der global tätigen Open Travel Alliance, auch kommerzielle Anbieter wie die globalen CRS Amadeus, Sabre und Travelport oder der internationalen Luftfahrtverband Iata mischen hier mit.
  2. Es braucht keine deutschsprachigen Attribute, um global gefunden zu werden.
    Google versteht bereits all die hier genannten Normen, um seine Suchergebnisse möglichst perfekt zu sortieren. Google versteht überhaupt viel mehr, als wir uns wünschen. Die herausragende Bedeutung dieser Suchmaschine liegt darin begründet, dass sie nicht mit Daten gefüttert wird, sondern aktiv das Netz nach relevanten Inhalten durchsucht.
    SEO ist ein komplexes Geschäft. Quasi permanent können sich die Algorithmen ändern. Das gilt sowohl für die klassische Google Suche SERP (Search Engine Result Pages), die Bestückung der populären Infoboxen oder auch für künftige sprachgesteuerte Suchergebnisse. Aber ganz gleich ob SERP oder sprachgesteuerte Google Assistant, Apple Siri oder Amazon Echo:
  3. Niemand kennt die heutigen Algorithmen für sprachgesteuerte Suchergebnisse. Und erst recht kennt niemand die künftigen Erfolgsfaktoren.
    Wir alle wissen: Unsere Web-Seiten stehen nicht statisch an irgendeiner Stelle in den Suchergebnissen. Manchmal ist eine gute SERP-Präsenz erklärbar (zum Beispiel durch einen Anstieg der Nutzerzahlen oder viele Links), manchmal hat sie aber auch einen trivialen Grund: Google hat wieder einmal über Nacht seine streng geheimen Algorithmen geändert. Eines aber ist klar:
  4. Google liebt Unique Content. Open Data ist das Gegenteil hiervon.
    So geheimnisvoll die Arbeit der Suchmaschinenoptimierung, so unbestritten ist ein Erfolgsrezept. Unique Content bringt eine Webseite nach vorn in den SERP. Ebenso klar unter SEO-Experten: wer kopierte Inhalte, so genannten duplicated content, listet, läuft Gefahr bei Google abgestraft zu werden. Es gibt keinen erkennbaren Grund, weshalb dieses etablierte Grundwissen im SEO-Geschäft nicht auch für sprachgesteuerte Suchen gelten sollte. Deshalb ist der folgende Punkt von besonderer Relevanz:
  5. Open Data kann die digitale Sichtbarkeit negativ beeinflussen
    Google akzeptiert nur eine primäre Datenbank. Tatsächlich erfreut sich das Open-Data-Lexikon Wikipedia bei Google großer Beliebtheit. Wer jedoch Wikipedia-Inhalte in seine eigene Web-Präsenz integriert, hat darauf im SEO-Sinne gemeinhin keinen Vorteil. Im Gegenteil: Ist die primäre Quelle nicht klar erkennbar, droht Abstrafung.
  6. Auch Reiseportale lieben Unique Content (und nicht Open Data)
    So ist es kein Wunder, dass auch die führenden Reiseportale mit großer Energie „unique content“ aufbauen. Dabei geht es sowohl um exklusive Angebote (so genannten bookable content) als auch um einzigartige Bilder, Texte und User Reviews (non bookable content). Dieses Geschäft ist global etabliert und hat so strahlende Marken wie Booking.com, Expedia oder Tripadvisor hervorgebracht, die auch in Alexa, Siri & Co bestens integriert sind. Keines dieser Portale hat meines Erachtens bislang um Open Data eines Zielgebietes gebettelt. Um Unique Content sehr wohl.

Jede Initiative, touristische Inhalte strukturiert aufzuarbeiten, ist ehrenvoll. Der versprochene Nutzen jedoch ist zu hinterfragen. Und es bedarf eines klaren Verständnisses, welche Daten sinnhaft offen oder eben doch exklusiv nur für spezielle Partner ausgespielt werden. Diese Aufgabe hat jede Organisation für sich zu erledigen. Eine allgemeine Erfolgsformel gibt es nicht. Dass, was Teile des Deutschland-Tourismus neuerdings und in der Sprache von Google als „Knowledge Graph“ bezeichnen, gibt es in der Touristik schon längst. Die Bündelung von Datensätzen in Echtzeit. Eine populäre Form davon ist die dynamische Bausteinreise (Dynamic Packaging).

Die künstliche Intelligenz ist längst präsent im World Wide Web. Und sie wird sich weiter durchsetzen. Begegnen wir ihr ebenso intelligent. Es mag Zeit zum Handeln sein, aber bitte frei von Panik.