Open Data = Sexy Data: Praxisbericht Teil II

Im zweiten Teil unseres Open Data-Reports räumen wir mit dem Vorurteil auf, das Open Data-Projekte nur dröge Datenbank-Projekte sind. Drei Bundesländer erzählen von spannenden Projekten auf Basis von offenen Daten.

Ein Interview mit Niedersachsen (TMN), Nordrhein-Westfalen (Tourismus NRW) und Tourismusverband Seenland Oder-Spree e. V. (ein Beispiel aus Brandenburg). Hier geht es nochmal zu Teil 1 des Interviews aus unserem tourism.report 2021.

Projektreferent „Touristisches Datenmanagement NRW: offen, vernetzt, digital“

tourismusverband.nrw

Digitalmanager, TourismusMarketing
Niedersachsen GmbH

reiseland-niedersachsen.de

Geschäftsführerin des Seenland Oder-Spree e.V.

seenland-oderspree.de

Letztes Jahr haben wir uns an dieser Stelle mit den Kolleg:innen aus Brandenburg (TMB), Sachsen (TMGS), Nordrhein-Westfalen (Tourismus NRW) und Niedersachsen (TMN) über die Erfahrungen beim Aufbau eines landesweiten Daten-Hubs ausgetauscht. Diese Hürde ist vielfach genommen, so dass in der Zwischenzeit bereits viele kreative Projekte umgesetzt werden konnten bzw. in Planung sind: von der Progressive Web App am Info-Terminal (TMB) über digitale Assistenzsysteme (TMN) bis hin zu komplexen Website-Framework-Projekten.

Hier zeigt sich der größte Vorteil bei freier Verfügbarkeit von offenen Daten: Projekte können wesentlich schneller und einfacher umgesetzt werden, da die mühsame und zeitintensive Datenaggregation wegfällt. Nachdem diese Pflicht (Content-Aufbereitung) vorab schon erfolgt ist, können Budget und Ressourcen in die Kür (Erstellung User-freundlicher Ausgaben) gesteckt werden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, wie der Blick in die Bundesländer zeigt.

„Der Touristische Data Hub NRW ist unsere zentrale Datendrehscheibe für unsere Leistungsträger genauso wie für reichweitenstarke Partner wie ADAC oder DZT.“

(Pascal Helfer, Tourismus NRW)

Data Hub NRW: Vielfalt der Ausgaben ist Trumpf, Von der Website bis zur KI

Die Ausspielung der Daten ist ein wichtiges Feld, um die Schnittstelle zum Gast zu besetzen. Dabei gibt es unterschiedliche Kanäle wie die eigene Website, Apps, Suchmaschinen oder zunehmend auch die Benutzeroberfläche des Screens in der Tourist-Info. Für die Gäste ist es wichtig, dass die touristischen Daten an möglichst vielen dieser Kanäle in gleicher Qualität und Aktualität ausgespielt werden.

Mit dem Touristischen Data Hub, welcher aus dem Förderprojekt „Touristisches Datenmanagement NRW: offen, vernetzt, digital“ entstanden ist, haben wir Anfang 2021 eine Plattform geschaffen, in der alle Akteure ihre touristischen Inhalte einspielen, aber auch regionsübergreifend nutzen können. Die Daten werden weiterhin in die eigenen Systeme eingegeben und über Schnittstellen in den Hub integriert und dabei die unterschiedlichsten Datentypen auf einer Plattform vereint.

Auf diese Daten (v. a. POI, Touren & Wege, Gastronomie, Events, Gastgeber und Angebote) können schon jetzt die unterschiedlichsten Dienste – via API oder direkt als Widget – zugreifen: Website, Google, Sprachassistenten: Gäste erhalten auf jedem Kanal unkompliziert Informationen, egal wann, wie und wo sie diese benötigen. Im Idealfall gibt es auf seinem eigenen Smartphone aber auch eine landesweite Lösung, die wir mit der Progressive Web App (PWA) DeinNRW geschaffen haben. Dabei wurde auf eine integrative Lösung gesetzt, die alle bestehenden regionalen PWAs umfasst. Dies bedeutet, dass die Gäste auch in den regionalen PWAs landesweiten Content finden können und in der landesweiten PWA auf die regionalen PWA hingewiesen wird.

Darüber hinaus werden wir unsere landesweiten digitalen Reiseführer um eine KI-Komponente erweitern:
So sollen mittels eines autonomen Empfehlungssystems unter Beachtung der Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer:innen entsprechende barrierefreie Reiseerlebnisse empfohlen werden. Zudem haben wir das Thema Besucherlenkung in Planung. Mit Hilfe von WiFi-Trackern wird das aktuelle Besucheraufkommen in Echtzeit erfasst und in der PWA ausgespielt.

„Nur mithilfe von Open Data können wir das volle Potenzial digitaler Datenbestände entfalten und die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten in der Datenausgabe bestmöglich nutzen.“

(Constantin Foltin, TMN)

Niedersachsen Hub: Einmalige Datenpflege, mehr Reichweite

Über den Niedersachsen Hub finden seit Sommer 2021 offen verfügbare, qualitativ hochwertige und einheitlich aufbereitete Daten schnell und gezielt den Weg in viele unterschiedliche Ausgabekanäle und darüber letztendlich zum Gast. Und das genau dann, wenn diese spezifischen Informationen benötigt werden. Möglich macht dies unser Open Data-Finder, über den die gemäß Open Data verfügbaren POI, Gastgeber, Touren, Events, Gastronomien, usw. abrufbar sind. Dadurch erzielen einzelne Datensätze eine enorme Reichweitensteigerung und eine größere Sichtbarkeit im Internet. Denn die Daten sind grundsätzlich für andere Unternehmen wie Plattformen, Start-ups und KMU zur freien Nutzung verfügbar.

So können die Daten aus den niedersächsischen Kommunen und Regionen zukünftig in Applikationen auftauchen, wie NaturTrip, bytheways, ADAC Trips oder 7places, die Schnittstellen aus unserem Open Data-Finder nutzen. Auch Verkehrsunternehmen wie beispielsweise die NordWestBahn greifen bereits auf den Open Data-Datenbestand zu, um diesen in eigene Webseiten einzubinden.

Darüber hinaus werden die Daten zukünftig auf weiteren Plattformen, wie auf einer Progressive Web App oder einem Skill für Sprachassistenten, gemäß dem Credo „Entdecke das Reiseland Niedersachsen“ für Gäste verfügbar sein. So erhöhen wir die Qualität des touristischen Angebotes und gestalten dieses zukunftsfähig und werthaltig.

Grundsätzlich finden wir es sehr interessant, die im Niedersachsen Hub verfügbaren touristischen Basisinformationen mit nicht direkt tourismusbezogenen Daten zu verschneiden. Das können beispielsweise Verkehrs- und Infrastrukturdaten, Geo-Daten in Echtzeit, ÖPNV-Fahrplan-Informationen, Verfügbarkeiten von Parkplätzen, POI-Auslastungen etc. sein.

Uns ist für die Datenverwendung besonders wichtig, dass Fokusthemen wie Mobilität, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit mithilfe technologischer Möglichkeiten miteinander kombiniert werden und nicht nur in einzelnen digitalen Anwendungsfällen gedacht wird. Es geht darum, Herausforderungen, die Unternehmen, Destinationen, Gäste oder Ein- heimische beschäftigen, anzugehen und vernetzte Konzepte zu entwickeln. So können Kontaktpunkte optimiert und Lücken geschlossen werden, um individuellen Kundenwünschen effizient gerecht zu werden. Um immer mehr Anwendungsfälle in der benötigten Qualität bedienen zu können, wird es aber weiterhin notwendig sein, an der Basis, also im Datenbestand und an der Verfügbarkeit von noch mehr offenen Daten, zu arbeiten.

Ellen Rußig, Geschäftsführerin des Seenland Oder-Spree e.V. definiert das Ziel des Projektes:

„Wir möchten die Gäste an allen Punkten ihrer Reise über die Möglichkeiten vor Ort informieren, damit den ländlichen Raum stärken und auch die Wertschöpfung erhöhen. Denn nur, wenn der Gast weiß, wo er Geld ausgeben kann, wird er das auch tun.“

Brandenburg: Open Data zum Anfassen

321 Touchpoints an 321 Standorten – ein deutschlandweit einmaliges Projekt etabliert sich im Seenland Oder-Spree. Die brandenburgische Reiseregion östlich von Berlin ist nun digital gut aufgestellt. Gäste und auch Einheimische finden auf der destination.one-Hardware nun Ausflugs-, Unterkunfts-, Gastronomie-, Touren- und Veranstaltungstipps. Outdoor auf Marktplätzen oder an Radwegen, indoor in Hotels, Ferienwohnungen, Restaurants, Museen oder auch in Supermärkten. Die Gäste können sich ihren perfekten Tag in der Region zusammenstellen und via QR-Code auf ihr eigenes Smartphone laden. Doch nicht nur die Gäste, auch die Einheimischen und Anbieter sind aufgrund der besseren Beratungsmöglichkeiten begeistert.

Auf den Touchpoints wird die Software „MeinBrandenburg“ ausgespielt, welche kostenfrei von der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH allen touristischen Akteuren im Land Brandenburg zur Verfügung gestellt wird. Die Software kann stationär über digitale Touchpoints oder mobil über die digitalen Endgeräte der Einheimischen und Touristen genutzt werden. Ausgespielt werden Inhalte aus den landesweiten Datenbanken, welche um individuelle, standortspezifische Informationen erweitert werden können – so wird im Seenland Oder-Spree aus „MeinBrandenburg“ – „MeinSeenlandOder-Spree“. Die Finanzierung der digitalen Hardware wurde durch Fördermittel aus den Programmen LEADER und INTERREG sowie durch Verbandsmittel möglich.

Die Idee hinter Open Data ist, Synergien über den freien Zugriff auf Daten zu ermöglichen und so eine völlige Transparenz und flexible Kombination dieser Daten zu erreichen.

Um Daten öffnen zu können, müssen die Daten:

  • in einer Datenbank strukturiert erfasst werden
  • mit einer der drei offenen Creative Commons-Lizenzen lizenziert sein (CC-0, CC-BY und CC-BY-SA)

In den letzten Jahren sind bereits zahlreiche Data-Hub-Projekte gestartet, die in erster Linie die Vernetzung von Datentöpfen und das Auflösen von Datensilos zum Ziel hatten. Und alle von uns begleiteten und von destination.one belieferten Projekte hatten schon damals eins gemeinsam: das Open Data-Label. Sobald Daten sauber gepflegt, mit qualitativem Bildmaterial ausgestattet und für die eigenen Ausgabekanäle einsatzfähig sind, ist der nächste logische Schritt die Lizenzierung dieser Datensätze und Mediendateien im Sinne der Open Data-Richtlinien der Deutschen Zentrale für Tourismus. e. V. (DZT) im Rahmen der „Open Data Tourism Alliance (ODTA)“.