Veni, vidi, converti – Visuelles Design einer Conversion

Teil 1 – Die Ökonomie des Auges

Seit Menschengedenken gilt das Prinzip des Sehens, das der französische Philosoph Blaise Pascal in folgende Worte fasste:

„Nicht was wir sehen, wohl aber wie wir sehen, bestimmt den Wert des Geschehenen.“

Mit der Reihe „Veni, vidi, converti“ wollen wir nicht nur alle Puzzlestücke, die mit der visuellen Erfassung und Verarbeitung von Informationen zu tun haben, näher beleuchten und so ein abgerundetes Bild für eine visuelle Conversionoptimierung liefern, sondern diese auch mit praxisnahen Tipps und Tricks versehen.

Im ersten Teil dieser Reihe geht es um die wichtigsten Naturgesetze des Auges, dem Wunderwerk der Natur – darum, wie es sieht, liest und selektiert.

Bereits im antiken Pompeji nutzen Verkäufer visuell aufbereitete Werbetafeln und Gaststätten mit Inschriften über ihrer Tür, um Vorbeigehende zum Kauf zu bekehren, ja zu konvertieren.

Obwohl diese altertümliche Szenerie bereits 2000 Jahre in der Vergangenheit liegt, gelten die Grundprinzipien des Sehens, Verstehens und darauffolgenden Handelns noch heute. Denn die menschlichen Sinne haben sich über diesen, im Sinne der Evolution kaum relevanten Zeitraum, so gut wie nicht verändert.

Was sind also die Grundgesetze des menschlichen Sehens? Das menschliche Auge und dessen Charaktereigenschaften haben wir auf fünf Gesetze heruntergebrochen:

1.

Das Auge ist faul

Das menschliche Auge folgt dem Grundprinzip der Ökonomie: es zieht das weniger Aufwendige und Anstrengende dem Umständlicheren vor. Das ist übrigens nicht nur ein Prinzip des Auges, sondern bestimmt unser ganzes Verhalten. So ist das Auge beispielsweise nicht bereit, anstrengend dargebotene Texte anzunehmen. Unternehmen haben das lange erkannt und nutzen auf diese Weise beispielsweise aus, dass das Kleingedrucktes eher selten gelesen wird. Auch andersherum wird übrigens ein Schuh daraus: Wenn die auf uns einwirkenden visuellen Reize zu heftig sind, tritt ein automatischer Schutzmechanismus in Aktion.

2.

Das Auge folgt dem Gehirn

Das menschliche Auge möchte immer das sehen, was dem Gehirn genügt. Und das, was dem Gehirn genügt, kann auf mehreren Ebenen stattfinden: von persönlicher Einsicht bis zu sachlicher Information. Die Natur hat für genau diese Selektierung mehrere Sperren eingerichtet: während die semantische Sperre das Unbedeutende weglässt, nimmt die syntaktische Sperre nur genau das Visuelle auf, das in Form einer angemessenen Zubereitung geliefert wird. Für die erste Sperre hat jeder seinen eigenen Haushalt, jedoch für die zweite gibt es Wege des Komposition, der Typografie, der Bildsprache, die in weiteren Teilen dieser Reihe ausführlicher erörtert werden.

3.

Das Auge sieht in Bildern

Das hört sich zwar selbstverständlich an, aber dieser Grundsatz gilt auch für z. B. Textvisualisierung. Das Auge wertet nach ästhetischen Kategorien, misst einem Textblock oder einem Bild eine Qualität zu und bewertet daraufhin dessen Glaubwürdigkeit. So spielt beispielsweise bei einem Textblock nicht nur die formale Schönheit eine Rolle, sondern auch dessen Gebrauch und Lesequalität. Nicht nur bei der Typografie als visualisiertes Sprechen gilt also der Grundsatz: die beste Offerte für das anspruchsvolle Auge ist auch die richtige. Was heißt das konkret? In Ländern mit der Leserichtung von links nach rechts lässt sich ein linksbündiger Flattersatz durch das schnellere Auffinden des Anfangspunktes zügiger erfassen. Zu glatte Schriften lehnt das Auge ab, während es Schriften mit differenzierter Struktur leichter erfasst.

4.

Das Auge bezieht den Kontext mit ein

Obwohl kein Auge die Wirklichkeit 1:1 abbildet, gibt es doch objektive Kriterien, die das Auge beim Sehen mit einbezieht. So spielt beispielsweise das Format eine Rolle: in einem kleinen Buch wird auch eine kleinere Schrift akzeptiert, während großformatige Schrift in einem kleinen Buch aufgrund von weniger Inhalt als weniger wertvoll bewertet wird. Einen weiteren Kontext, den das Auge mit bedenkt, ist das Größenverhältnis unterschiedlicher Elemente zueinander. So entspricht beispielsweise Schriftgröße einer Lautstärke – große Schriften werden demnach als lautere Sprache interpretiert.

5.

Das Auge ist hochleistungsfähig

Obgleich das menschliche Auge dem Prinzip der Ökonomie unterliegt, so vollbringt es dennoch Höchstleistungen, denen bisher selbst die beste Kamera oder Computer nicht nachkommen: Innerhalb einer Sekunde  kann das Auge mehr als 10 Mio. Informationen aufnehmen und zwischen 600.000 Farben unterscheiden. Die Tatsache, dass sich 70% aller Sinneszellen in der Augennetzhaut befinden, machen es zum wichtigsten der fünf Sinnesorgane. Das Auge ist außerdem im wahrsten Sinne des Wortes stark: die äußeren Augenmuskeln sind die aktivsten Muskeln des menschlichen Körpers. Die Genauigkeit des Sehens schlägt sich beispielsweise darin nieder, wie differenziert wir menschliche Gesichter erkennen und interpretieren können.

Im nächsten Teil dieser Reihe „Veni, vidi, converti“ werden wir konkreter beleuchten, wie das Auge auf Farben und deren Kontraste reagiert und welche Bedeutung dieser Farbgebung beim Erfassen beigemessen wird.