Smart Destinations – Festivals im Fokus

Smart Destinations, was ist das überhaupt?

Smart Destination ist ein Schlagwort, mit dem die Digitalisierung von touristischen Reisezielen umschrieben wird. Konkret geht es um die Verbindung von digitalen und realen Erlebniswelten und Infrastrukturelementen.

Wir (Eric Horster und Constantin Foltin) haben uns – unter anderem im Rahmen von Constantins Masterarbeit – näher mit dem Begriff beschäftigt und uns angeschaut, wo solche „smarten“ Destinationen schon heute zu finden sind. Diese werden wir im Rahmen einer mehrteiligen Serie hier vorstellen.

Bei unserer Recherche sind wir insbesondere auf eher geschlossene touristische Räume wie Festivals, Freizeitparks, Skigebiete oder Kreuzfahrtschiffe gestoßen. Der Vorteil, den diese Räume haben ist, dass sie meist zentral von einem Betreiber gesteuert werden, der die digitalen Services koordinieren kann. Wir wollen in dieser Reihe Beispiele dieser Räume vorstellen und anhand von konkreten Anwendungen zeigen, wie sich die Freizeitgestaltung von Reisenden verändert.

In einem Video hat Eric dazu einmal erläutert, worum es grundsätzlich geht:
In diesem Beitrag liegt der Fokus auf Festivals, bei denen der Trend zum Einsatz digitaler Lösungen, wie Digital Payment (z. B. in Kombination mit Apple Pay) oder digitale Eingangskontrollen (Access Control) via RFID und/oder NFC deutlich zu erkennen ist.

„Event organisers are always looking at ways to improve their events and this means gathering Big Data so they can understand their audience better and apply new technologies to enhance visitor experience“ – Serge Grimaux, CEO von Intellitix

Musikfestivals sind kleine, in sich geschlossene Welten und bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Services, die realen Erlebnisse mit digitaler Technologie zu verbinden. So nutzen z. B. Wacken, Hurricane, Coachella oder Tomorrowland schon seit einigen Jahren Technologien, um organisatorische Prozesse für Besucher und Anbieter zu optimieren. Insbesondere das bargeldlose Bezahlen ist seitens der Veranstalter von Interesse, indem Festivalbändchen mit RFID-Chips ausgestattet werden, welche diese digitalen Bezahlvorgänge ermöglichen.

Bargeldlos, zeitsparend und umsatzsteigernd

Als prädestiniertes Beispiel kann hier das größte internationale Elektro-Festival Tomorrowland in Belgien genannt werden, welches im Jahr 2018 rund 400.000 Besucher zählte. Beim Ticketkauf erhalten Festivalgäste automatisch ein RFID-Armband, welches sie im Vorfeld online aktivieren müssen, um Zugriff auf den Funktionsumfang zu haben. Das Armband kann dann als Zugang zu verschiedenen Bereichen innerhalb des Festivalgeländes eingesetzt werden und dient als einziges Zahlungsmittel für Getränke und Speisen vor Ort.

Zudem gibt es zu dieser Technologie eine komplementäre Smartphone-Applikation, welche Informationen, wie das Line-up des Festivals, Kartenmaterial sowie eine persönliche Kostenabrechnung, vorhält. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Abrechnung nicht in einer realen Währung erfolgt, sondern vor Ort mit sogenannten „Pearls“ kalkuliert wird – einer virtuellen Festivalwährung.

Das System selbst stammt nicht von den Veranstaltern von Tomorrowland, sondern von einem externen Technologie-Dienstleister, welcher seine Lösungen auch für andere Festivals und Live-Events anbietet. Demnach wird das digitale Bezahlen sowie die Identifikation und Zugangskontrolle neben dem Tomorrowland auch auf dem Festival Coachella in Kalifornien eingesetzt. In der Praxis sieht das Ganze dann so aus:

Auf Kundenseite resultiert auf solchen Großereignissen durch die Digitalisierung von Bezahlung und Check-In eine verringerte Wartezeit an Einlasspunkten sowie eine Verringerung des Diebstahl- und Verlustrisikos.

Sicherheit, Einsparungen und Lokalisierung

Auf Veranstalterseite bedeutet die Nutzung des RFID-Systems zum einen eine Personalersparnis durch die Möglichkeit, Stoßzeiten live nachzuvollziehen und so das Personal besser koordinieren zu können. Zum anderen ergibt sich durch das Tracking aber auch eine erhöhte Kontrolle der Besucherströme. Letzteres vor allen Dingen deshalb, weil Festivalgelände in verschiedene Bereiche eingeteilt werden können (z. B. Campground mit Zelten, verschiedene Bühnen, Food Court), in die sich die Besucher jeweils mit dem RFID-Armband an den dazugehörigen Terminals der jeweiligen Bereiche ein- oder ausloggen müssen. Als weiterer Vorteil wird seitens der Veranstalter gesehen, dass der Einsatz bargeldloser Zahlungssysteme auf Festivals laut Intellitix einen höheren Umsatz (15-30 %) hervorruft.

Ähnlich, aber ohne ein RFID-Armband, realisiert das Festival Coachella in Kalifornien das Bezahlen auf dem Gelände. Seit 2016 können dort Zahlungen via Apple Pay, Android Pay und Samsung Pay getätigt werden. Hiermit wird das bargeldlose Bezahlen auf Festivals als wichtiges Element betont. Auch bei diesem Festival gibt es eine zugehörige App, die zudem an eine iBeacon-Technologie gekoppelt ist. Dadurch können die Besucher innerhalb des Festivalgeländes auch kleinräumig navigieren.

Die technologischen Komponenten werden selten von den Eventveranstaltern selbst entwickelt. Im Bereich der kleinräumigen Navigation kann bspw. eine festivalunabhängige App namens WOOV genutzt werden, um Freunde zu lokalisieren, oder auch die eigene Position auf einer interaktiven Karte zu verorten. Je nach digitaler Infrastruktur vor Ort ist auch ein internetunabhängiger Einsatz möglich – bspw. über die erwähnten iBeacons. Innerhalb der Applikation sind weitere Funktionen integriert, die bei Festivals übergeordnet relevant sein können wie Informationen über Bands, Kontakt zum Veranstalter oder eine Chat-Funktion. Großes Potenzial der App und eine steigende Relevanz des Funktionsumfanges hat auch die Mast-Jägermeister GmbH erkannt, die erst kürzlich in das Unternehmen hinter der App investiert hat.

Personalisierung vs. Datenschutz

Für den Nutzer ist die Registrierung zur App z. B. mithilfe eines aktiven Facebook-Accounts möglich und ruft dadurch bei Nutzungsabsicht die Zwangsangabe persönlicher Daten hervor.

Besonders in diesem Zusammenhang existieren auch kritische Meinungen über die neuen Technologien auf Festivals. Denn die Datensammlung der Anbieter ist automatisch Bestandteil des Vertrages, die mit Nutzung der Technologie genehmigt wird. So bekommen Anbieter und Veranstalter häufig nicht nur den Namen, Anschrift, Bankverbindung oder Kreditkartendaten, Informationen über das genutzte Smartphone oder die Position auf dem Festivalgelände, sondern sie erfahren durch die digitale Kontoübersicht auch, welche Speisen und Getränke die einzelnen Festivalbesucher an welchem Ort und zu welcher Zeit konsumiert haben. In Zeiten der EU-DSGVO ist der Datenschutz ein nicht zu vernachlässigender Aspekt, der auch beim Einsatz digitaler Lösungen innerhalb von Smart Destinations thematisiert und beachtet werden sollte.

Das virtuelle Festival

Auf Musikfestivals liegt der Fokus nicht nur auf dem Vor-Ort-Erlebnis. Für das Heavy-Metal Festival Wacken Open Air in Norddeutschland wurde bspw. eine immersive Erlebniswelt entwickelt, die insbesondere der Inspiration dient. Über Rundumsimulationen, die über eine App mit oder auch ohne VR-Brille ausgegeben werden, können sich potenzielle Besucher vom heimischen Sofa aus einen Eindruck über das Festival verschaffen, indem sie mittels eines interaktiven Virtual-Reality-Films in das Festivalgeschehen eintauchen. Die Telekom geht noch einen Schritt weiter und bietet via MagentaMusik 360 das virtuelle Live-Erlebnis der Veranstaltung an.

Grundlegend lässt sich festhalten, dass die jeweiligen Apps der verschiedenen Festivalanbieter meist umfangreiche Funktionen bieten, die für Festivalbesucher relevant sind. Dazu gehören die elementare Navigations- und Ortungsfunktion (mit und ohne Freunde-Lokalisation), Access Controll zu den Areas, digitale Bezahlmöglichkeiten und (live) Informationen wie bspw. die Line-Up-Übersicht.

Wem die jeweilige Festival-App nicht ausreicht, sollte einen Download der WOOV-App in Erwägung ziehen. Ergänzend bieten auch systeminterne Lösungen wie „Freunde suchen“ von Apple oder externe Anbieter wie „Find my Tent“ ansprechende Möglichkeiten, sich vor Ort zu orientieren.