Von IoT zu IoB: Chancen und Risiken für den Tourismus

Daten sammeln, bündeln, veredeln und verteilen – das digitale Mantra im Tourismus der letzten Jahre, eine einfache Eingangs- und Ausgangsformel, die vor allem in Pandemie-Hochzeiten auch die letzten Akteure auf Lokalebene erreichte.

Dass der Deutschlandtourismus ohne Digitalisierungsstrategie international nicht mithalten kann, ist längst auf allen Ebenen verstanden. Und so werden große Datenmengen produziert und auf unterschiedlichsten Ausgabekanälen für alle ausgespielt. Für uns als Dienstleister der Branche unser täglich Butter und Brot, den touristischen Daten mit dem Zusammenspiel aus Software und Hardware ein Gesicht zu geben.

Die digitale Aufholjagd entscheidet dabei diejenige DMO für sich, die den anspruchsvollen, zumeist postmateriellen Gast am schnellsten mit qualitativen Daten zu füttern weiß und dabei noch das eigene Profil schärft. Dabei treten heutige Gäste ihre Reise und die vorgeschaltete Suche nicht nur mit ihrem physikalischen Gepäck oder mentalen Vorstellungen an, sondern bringen außerdem hohe technologische Ansprüche und Medienkompetenz gleich mit.

Gäste sind es gewohnt, dass ihre Fitnessuhren den Puls messen und per Bluetooth-Verbindung auf die entsprechende Smartphone-App übertragen oder in ihrem nachhaltigen Smarthome das Licht ihren individuellen Präferenzen Folge leistet.

Geräte und Anwendungen tauschen miteinander Daten aus und bilden ihr persönliches „Internet der Dinge“ oder „Internet of Things“. Globale Technik hat den modernen Gast dabei längst an die Hand genommen und ihm ewige, personalisierte Treue geschworen. Künstliche Intelligenz sorgt für den maßgeschneiderten Anzug, und das in Echtzeit. In guten und in schlechten Zeiten stehen Alexa, Netflix und Co zur Seite und halten immer eine Antwort oder die Lieblingsserie parat.

Denn in der Kennlernzeit wurden zügig sämtliche zur Verfügung stehenden personenbezogenen Verhaltensdaten gefiltert und Präferenzen interpretiert, um dem anspruchsvollen Gast gerecht zu werden.

Das „Internet of Behaviors“ ist die nächste Stufe der digitalen Bindung zum Gast, die nicht mehr nur eine einfache Eingangs- und Ausgangsformel ist, sondern komplex und proaktiv agiert.

Die Mensch-Maschine-Ehe scheint dabei so lange gut zu gehen, wie ein (un)bewusster Dialog stattfindet anstatt einer Digitalisierung auf Einbahnstraße. Neben Hyperpersonalisierung und „Internet of Behaviors“, wie sie das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Gartner bereits 2020 prognostizierte, spielen außerdem globale Megatrends wie Neo-Ökologie oder Mobilität eine wesentliche Rolle, völlig unabhängig davon, ob eine DMO es möchte oder nicht.

Die Reaktionen und der Umgang mit diesen Megatrends decken die komplette, menschliche Bandbreite ab: vom Gefühl des ohnmächtigen Kontrollverlustes bis hin zur eigenen Technologie-Ehe. Ein einheitliches Erfolgsrezept, das für jede Destination passt, scheint es nicht zu geben. Auch dort sind maßgeschneiderte Strategien gefragt, wie der Gast langfristig gebunden werden kann.

Neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Virtual oder Augmented Reality können dabei mit Sicherheit ihren Beitrag leisten, doch die scheinbar grenzenlose Technik kann ohne Datenfütterung nicht wirklich etwas ausrichten und läuft global Gefahr, nur standardisierten Einheitsbrei für die Masse zu generieren, der mit dem echten, authentischen Urlaubsort wenig zu tun hat. Einen echten Dialog kann eben nur der führen, der selbst eine Herkunft, Identität und Authentizität besitzt und nicht austauschbar ist.

Wünschenswert ist also nicht die Ehe zwischen Technologie und Gast, sondern eine zwischen Destination und Gast, in der Technologie nicht das alleinige Fundament darstellt, sondern als konkret unterstützende, intelligente Hilfe dient. Besucherlenkung als potentielle Problemlösung für overtourism und Umweltverschmutzung ist nur eines von zahlreichen Anwendungsbeispielen des „Internet of Behaviours“.

Eine Rückbesinnung auf die eigenen, lokalen Stärken unter Einbeziehung der persönlichen Präferenzen des Gastes und ein bewusster Umgang mit globalen Megatrends scheinen zumindest dazu beizutragen, dass das Fundament für eine nachhaltige Tourismusstrategie nicht nur auf einem der genannten Eckpfeiler steht, sondern eine gesunde Balance herstellt, die auch in Krisenzeiten standhält.

Begeben wir uns zusammen weiter auf die Reise zum Gast, dessen Herz es zu erobern gilt, der uns aber auch um unserer selbst Willen mögen soll. Seien wir als touristische Akteure selbstbewusst in unserer eigenen Identität verankert, die neue Technologien wie „Internet of Behaviors“ gezielt und agil zu nutzen wissen, und zwar nicht als Fundament, sondern als Werkzeug. Denn wer authentisch ist und sich mithilfe dieser Tools zu positionieren weiß und den ständigen Dialog mit dem Gast sucht, wird nicht nur schwierige Krisenzeiten besser überstehen können, sondern seine Stellung in der touristischen Landschaft aktiv mitgestalten.

Dieser Artikel erscheint im tourism.report 2023, dem jährlichen Magazin für die digitale Tourismusbranche.