60% aller IT-Projekte scheitern

Allein in Europa entsteht durch das Scheitern von IT-Projekten den Unternehmen und Institutionen ein Schaden von 140 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Ursachen sind längst erkannt, dennoch ändert sich die Quote erfolgreich abgeschlossener IT-Projekte in den zurückliegenden Jahren kaum. Auch die Tourismusbranche kämpft mit diesem Problem. Woran liegt das?

Die Digitalisierung ist im öffentlichen wie privatwirtschaftlichen Sektor angekommen. Die Anstrengungen, die digitale Transformation voranzutreiben, sind hoch. Trotz intensiver Bemühungen schätzen die Betriebe in Deutschland den Stand ihrer Digitalisierung jedoch im Durchschnitt nur als „befriedigend“ ein. Im Tourismus (Gastgewerbe und Transport) ist diese Einschätzung sogar noch ein bisschen pessimistischer. Als Herausforderungen benennen die Unternehmen die Komplexität, hohe Kosten, fehlende Zeit, die Umsetzung von IT- Sicherheitsmaßnahmen und den Mangel an IT-Fachkräften. 1

Abstimmung aller Projektbeteiligten

Diese Einschätzung verschleiert allerdings den Blick auf die eigentlichen Ursachen. Die meisten Projekte scheitern an unklaren Zielen, unrealistischen Zeitvorgaben und fehlender Abstimmung aller Projektbeteiligten.2 Insbesondere die Abstimmung bereitet vielen Unternehmen Probleme. In einer Studie gaben 70% der Befragten an, dass geschäftskritische IT-Projekte scheiterten, da an anderer Stelle Entscheidungen getroffen wurden, die zum Zeitpunkt der Planung nicht bekannt waren.3

Ganzheitliche Sicht

Häufig fehlt die ganzheitliche Sicht auf alle mit dem Digitalisierungsprojekt verbundenen Prozesse. Insbesondere die mangelnde Einbeziehung der von der IT losgelösten Abläufe, wie z.B. Geschäfts- und Kommunikationsprozesse, sind oftmals die Ursache für gescheiterte IT-Projekte.

Lange Projektlaufzeiten

Aber auch IT-Projekte, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, sind Risiken ausgesetzt. Die Einbeziehung aller Beteiligten ist zeitaufwändig. In der DACH-Region werden im Schnitt 2,5 Wochen benötigt, um eine abgestimmte Entscheidung herbeizuführen. Dies summiert sich fast zwangsläufig zu langen Projektlaufzeiten auf. Laut einer Studie3 nehmen über 80% der geschäftskritischen Projekte mehr als 13 Monate in Anspruch – ein Zeitraum, in dem sich die Rahmenbedingungen des Projektes und die zur Verfügung stehenden Technologien grundlegend geändert haben können.

Eine Studie von Roland Berger kommt zu einem ähnlichen Fazit: Jedes zweite IT-Projekt dauert länger oder wird teurer als geplant. Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns steigt mit der Dauer und Komplexität von Projekten4.

Kommunikative und personelle Herausforderung

IT-Projekte sind nicht nur eine technische Herausforderung, sondern insbesondere auch in der personellen Ausstattung und Kommunikation anspruchsvoll. Es gibt ein zentrales Handlungsfeld, in dem sich oft entscheidet, ob ein Digitalisierungs-Projekt scheitert oder erfolgreich abgeschlossen werden kann.

Eine Vielzahl von Studien kommt zu ähnlichen Erkenntnissen: Projektarbeit ist auch „People-Business“. Das gilt insbesondere auch im Tourismus. Dies bedeutet, dass zwischen den technischen Umsetzungsteams, den fachlichen Anforderungen und der Tagesarbeit der Nutzer permanent Brücken geschlagen werden müssen. Dazu ist ein erfahrenes Projektmanagement notwendig. Dieses sollte sowohl über ein großes Knowhow in Bezug auf Prozesse und deren Digitalisierung im Tourismus verfügen als auch große technische und soziale Kompetenz besitzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Projektbeteiligten zufrieden sind und Zeit- und Budgetrahmen sowie Leistungsumfang stimmen.

Doch trotz der großen Bedeutung des Projektmanagements für den Projekterfolg wird diese Rolle in Unternehmen und Institutionen oft unvollständig ausgefüllt.

In der Folge werden IT-Projekte entweder zu technisch aufgesetzt. Dann geht der Blick darauf verloren, dass Technik niemals Selbstzweck ist, sondern immer ein Werkzeug, das Geschäftsprozesse unterstützt und optimiert. Oder Projekte werden gar nicht als IT-Projekte gemanagt und elementare Anforderungen, wie eine klare Produktvision oder ein schlüssiges Service-Design, fehlen.

Fazit

Die Einbeziehung eines externen Projektmanagements in den Planungs- und Umsetzungsprozess ist in vielen Fällen hilfreich, um fehlende Kompetenzen zu ergänzen und durch einen externen Blickwinkel die projektkritischen Punkte zu identifizieren und zu meistern.

Checkliste für erfolgreiche IT-Projekte im Tourismus:

Vor / zum Projektstart

  • Klärung: welches Problem soll mit diesem Projekt gelöst werden?
  • Klare Projektrahmenbedingungen und Vorgaben schaffen (Budget, Projekttermine, wer ist Auftraggeber und wer sind die Nutzer:innen?)
  • Klare Startvoraussetzungen definieren (Erwartungen, Zielsetzungen, Externe Abhängigkeiten, Systemlandschaft, Stakeholder)
  • Rollen und Verantwortlichkeiten in der Projektarbeit eindeutig definieren
  • Spielregeln in der Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten definieren und kommunizieren
  • Produktvision erstellen
  • Externe Abhängigkeiten analysieren, um dadurch Risiken und mögliche Verzögerungen zu erkennen, die ggf. nicht durch das Projektteam beeinflusst werden können


Während Projektlaufzeit

  • Anforderungen nicht in Silos definieren
  • Echte User-Bedürfnisse berücksichtigen. Später Nutzer:innen von Anfang an einbinden.
  • „Gemeinsame Sprache“ zwischen Fachbereichen und IT schaffen. Gegenseitiges Verständnis und Interesse entwickeln. Häufig sind dafür „Übersetzer“ notwendig, da Fachbereiche und technisches Umsetzungsteam in unterschiedlichen „Ökosystemen“ arbeiten
  • „Technik drives business“ funktioniert nicht
  • Projektfokus beibehalten. Keine „moving targets“ bzw. wechselnde Zielvorgaben
  • Mitarbeit aller Beteiligten ermöglichen
  • Fokus nicht zu technisch setzen. Technik ist kein Selbstzweck!
  • Business- und Geschäftsprozesse müssen im Mittelpunkt stehen, Technologie soll diese optimal unterstützen

Ein schlechter Prozess bleibt auch digitalisiert ein schlechter Prozess. Prozesse hinterfragen und optimieren.

  • Enge Verzahnung von Business und IT ist der Schlüssel zum Erfolg. Dafür braucht es einen Moderator bzw. Übersetzer im Projektmanagement.
  • Erwartungen der Stakeholder müssen immer wieder überprüft und kommuniziert werden. Dadurch können Missverständnisse ausgeräumt und schlechte Stimmung im Projekt vermieden werden. Ein funktionierendes Team ist Basis für Projekterfolg!
  • Fachbereiche ggf. für Projektarbeit schulen
  • Fachbereiche ernst nehmen und die Möglichkeit geben, sich einzubringen
  • neue Lösung in der Organisation „verankern“. Dazu braucht es ein Projektmarketing, das die Vorteile der zukünftigen Nutzer:innen ausreichend darstellt


Zum Projektabschluss

  • „go-live-Termine“ rechtzeitig kommunizieren. Abwesenheiten und Belastungs-Peaks der Nutzer:innen ausreichend berücksichtigen
  • Notfallpuffer einplanen, um Überraschungen abzufangen (z. B. in Bezug auf Datenschutz, Compliance, Connectivity).
  • Trainings für neues System ausreichend früh einplanen
  • Temporäre Unterstützung für Nutzer:innen einplanen, damit diese sich nicht alleingelassen fühlen
  • Sorgen der Nutzer:innen im Umgang mit dem neuen System ernst nehmen
  • Lessons-learned durchführen: sind die Projektziele erreicht worden?
  • Erfolge ausreichend feiern!

1 DIHK Digitalisierungsumfrage 2021 / 2022
2 Assure Consulting, 2007
3 alfabet GmbH 2013
4 Studie „Projekte mit Launch Management auf Kurs halten. Warum IT-Großprojekte häufig kentern und Projekterfolg kein Glücksspiel ist“, Roland Berger Strategy Consultants, 2008)