Zeitgemäße Besucherlenkung im Tourismus: Systematik und Anforderungen

Die Lenkung von Besucherinnen und Besuchern im Tourismus ist nichts Neues. Schon immer gab es den Wunsch, dass Besucherinnen und Besucher sich in Destinationen dorthin bewegen, wo sie die Anbieter von touristischen Leistungen gerne haben möchten.

Sei es um ihre Produkte zu verkaufen, um sensible ökologische Bereiche vor einem zu hohen Besucheraufkommen zu schonen oder um negative Crowding-Effekte auf Seiten der Einheimischen oder der Touristen zu minimieren. Dazu kamen auch in der Vergangenheit verschiedene analoge und digitale Maßnahmen zur Lenkung von Besuchern zum Einsatz. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat jedoch dafür sensibilisiert, wie wichtig es ist, auf die Vermeidung von Overcrowding und die Entzerrung von Besucherströmen zu achten. Die Beeinflussung („Lenkung“) von Besucherinnen und Besuchern kann dabei helfen. In diesem kurzen Beitrag wird eine Möglichkeit der Systematisierung von Besucherlenkungsmaßnahmen vorgestellt und diskutiert, welche Komponenten eine zeitgemäße Lösung in Destinationen haben sollte.

Besucherlenkungsmaßnahmen im Tourismus lassen sich nach vier wesentlichen Aspekten systematisieren.

a) Statisch: Eine Datenaktualisierung zu Besucherfrequenzen wird nicht oder nur in langen Zeiträumen vorgenommen.

b) Dynamisch: Datenaktualisierungen werden zeitnah oder in Echtzeit vorgenommen.

c) Prognostisch: Datenaktualisierungen werden basierend auf statischen und dynamischen Daten auf Basis von Modellen für die Zukunft berechne

a) Punktuell: Die Lenkung ist begrenzt auf bestimmte Hotspots.

b) Flächendeckend: Die ganze Destination ist berührt.

c) Destinationsübergreifend: Lenkung in Kooperation mit weiteren Tourismusdestinationen.

a) Informierend: Maßnahmen dienen der Information der Zielgruppe. Es bleibt der Zielgruppe überlassen, wie sie mit der Information umgeht.

b) Inhibitorisch: Maßnahmen führen zu Verboten oder Sperrungen (harter Eingriff).

c) Nudging („Manipulation durch Design“): Die Art der Präsentation von Alternativen („framing“) hat Einfluss auf die Entscheidungswahrscheinlichkeit für eine erwünschte Alternative. Nudging ist der Versuch, Framing-Effekte zur Beeinflussung von Konsumentscheidungen zu nutzen, z. B. durch Verringerung der Zahl der Alternativen, Veränderung der Darstellung/Formate der Alternativen und Nutzung von Standardoptionen.

d) Alternativen: Mit der Maßnahme werden Alternativen zur unerwünschten Option angeboten. Digitale Maßnahmen mit Alternativen-Bereitstellung werden auch als „Recommender“ bezeichnet. Nudging-Maßnahmen sind immer mit Alternativen ausgestattet, informierende oder inhibitorische Maßnahmen hingegen können mit oder ohne Alternativen eingesetzt werden.

a) Analog, zu Hause: Beispiele sind Prospekte, Reiseführer, Tageszeitungen.

b) Analog, unterwegs: Beispiele sind Informationstafeln, Wegweiser, Sperrschilder oder Umleitungsempfehlungen.

c) Digital (zu Hause und/oder unterwegs): Beispiele sind Websites, Routing-Apps, Outdoor-Apps, Destinations-Apps etc. Wegen der hohen Nutzungsraten mobiler Endgeräte können diese digitalen Anwendungen in der Regel sowohl zu Hause als auch unterwegs genutzt werden.

Bei digitalen Besucherlenkungsmaßnahmen kann unterschieden werden, – welche Datenquellen genutzt werden, z. B. stationäre Sensoren (wie Lichtschranken, Lasermessgeräte, Kameras), Daten aus mobilen Endgeräten (wie App-Nutzungsdaten, passive Mobilfunkdaten) oder Daten von Websites und Social-Media, – wie die Datenhaltung erfolgt (zentral, dezentral, hybrid), – wie und mit welchen Rechten (Lizenzen) die Daten erfasst, ausgespielt und zur Verfügung gestellt werden (Deployment). Zur erfolgreichen Implementierung von Besucherlenkungsmaßnahmen auf Destinationsebene ergeben sich vielfältige Herausforderungen (u. a. ethische Bedenken). Für die konkrete Arbeit ergeben sich jedoch besonders zwei kritische Problembereiche: (1) Der Zugang zu fein aufgelösten zeit-räumlichen Daten zu Besucherfrequenzen und (2) das Ausspielen von Inspirations- und Informationsangeboten bzw. Lenkungsmöglichkeiten an (potenzielle) Besucherinnen und Besucher und auch Einheimische.

Eine zeitgemäße Besucherlenkung in Tourismusdestinationen sollte daher auf folgenden Grundlagen basieren:
  • Digital-dynamisches System, das vom Nutzer unterwegs und zu Hause genutzt werden kann.
  • Nutzung von öffentlichen, freien Datenhubs zur Integration verschiedener Sensoren und Datenquellen.
  • Verwendung von Datenmodellen und KI-Algorithmen für verschiedene Anwendungsfälle zur Analyse der erfassten Daten und zur Erstellung von Prognosen als Basis für die Besucherlenkung.
  • Diskriminierungsfreie (möglichst lizenzoffene) Bereitstellung von Daten und Prognoseergebnisse für eine möglichst große Weiternutzung (für Praxis und Forschung) und damit Erzielung einer hohen Reichweite bei Einwohnerinnen und Einwohnern sowie Besucherinnen und Besuchern.
  • Nutzung von Nudging-Mechanismen mit Bereitstellung von Alternativen statt reiner Information oder Restriktionen durch Verbote und Sperrungen.