Gegen die Ohnmacht

Touristischer Inhalt als neues Bindeglied zwischen deutschen Destinationen und globalem Reisevertrieb

Und auf einmal steht unsere Branche still. Nichts geht mehr. Fast alle Privatreisen werden storniert, das Ostergeschäft fällt komplett aus, Beherberger und Gastronomen stehen auf einmal vor dem Nichts. In ihrer Not wenden sich Leistungsträger aller Art an ihre Tourismusverbände: Aktuelle Auflagen, Hygienekonzepte, Fördermittel; händeringend wird in den ersten Tagen und Wochen der Krise alles konsumiert, was beim Überleben hilft!

Und dann beginnt die lange Zeit des bangen Wartens. Wird man wieder öffnen dürfen und wen ja, wann? Ist das Sommergeschäft irgendwie zu retten? Werden überhaupt Gäste kommen?

In dieser Zeit sind es die Tourismusverbände, welche mit aller Kraft ihr Möglichstes tun, um für Ihre Partnerbetriebe da zu sein und sich auch in dieser schwierigen Zeit als verlässlicher Partner zu positionieren. Und man muss es sagen: Die Tourismusverbände machen einen unglaublichen Job dieses Jahr! Der Sommerurlaub 2020 in Deutschland boomt! Deutschland ist ausgebucht, die Preise ziehen kräftig an und egal, in welchem Segment des Privatreisebereiches sind die Anbieter bis weit in den Herbst hinein ausgebucht.

Ach ja, der Herbst.

Das Damoklesschwert der zweiten Welle hängt irgendwo unausgesprochen zwischen den sich zur Decke stapelnden Buchungen. Während auf der einen Seite in hektischer Betriebsamkeit versucht wird, irgendwie die Löcher in den Kassen zu füllen, entwickelt sich auf der Anderen nach und nach ein neues Bewusstsein.

Diverse Diskussionsrunden, Artikel, Interviews und Kommentare zeichnen schon seit Monaten ein einheitliches Bild:

Ein Zurück zum „Höher, Schneller, Weiter“ wird es in unserer Branche nach den Erfahrungen dieses Sommers nicht geben können. Dies ist keine nebulöses Zukunftsunken, sondern bereits Realität: Wer bisher nachhaltig kalkuliert hat, sich anständig um seine Kunden und die Kommunikationswege zu Selbigen gekümmert hat, wer flexible Prozesse schon immer in seinem Unternehmen verankert hat, der war diesen Sommer oftmals in der Lage, eine solche Krise ein kleines Bisschen leichter durchzustehen. Ja, es gab auch Ausnahmen. Wer allerdings bereits bisher in seinem Betrieb nur auf Kante genäht und maximal gewinnorientiert agiert hat, der durfte sich über mangelnden Rückhalt bei Kunden und Mitarbeitern in diesen Zeiten nicht wundern.

Klar ist: Das Gros aller Betriebe liegt irgendwo zwischen den beiden obengenannten Extremen. Und klar ist auch: Es gibt Handlungsbedarf! Schnell und massiv. Während des Sommers bedeutete das betriebseigene Hygienekonzepte zu entwickeln. Im Herbst und Winter, wo erneut alles stillstand wird der Handlungsbedarf umso deutlicher: Es geht nicht um einzelne Konzepte oder Richtlinien. Es geht um nichts weniger, als Haltungen und Einstellungen zu verändern, um Flexibilität und Dynamik zu erlernen, um Agilität und Offenheit für Neues. Diese Qualitäten werden es auf lange Sicht sein, welche ein Unternehmen im „neuen Tourismus“ stark machen! Erst gepaart mit diesen Stärken werden konkretere Fähigkeiten aus Marketing, Vertrieb, Produktentwicklung etc. zu wirklichen Wettbewerbsvorteilen!

Dies haben im Sommer 2020 einige Tourismusverbände erkannt: Wirkliche, nachhaltige Hilfe bedeutet nicht, den Provisionssatz für Buchungen zu senken oder die Betriebe in einer sinnfreien Preisschlacht zu unterstützen. Es bedeutet viel mehr, den Betrieben Knowhow an die Hand zu geben, mit welchem diese selbstständig auf neue Entwicklungen reagieren können!

Viele Regionen und Bundesländer haben sich auf den Weg gemacht, das Thema Wissensmanagement aktiv anzugehen und zum Teil auch gemeinsam an dieser Mammutaufgabe zu arbeiten!

Wir dachten alle bis zum Frühjahr dieses Jahres, das A & O für erfolgreiches Wirtschaften im Tourismus läge vor allem in der Kenntnis und Anwendung gewisser Routinen. Wir dachten, es wäre das Wichtigste, den Betrieben zu zeigen, wie man Datensätze pflegt, Preise richtig berechnet und sauber kommuniziert. Der Sommer hat uns alle Einiges gelehrt. Wie oben beschrieben, sind all diese Punkte nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite besteht aus persönlichen Kompetenzen, aus dem Abbau von Ängsten, aus dem Vermitteln einfacher Methoden.

Gemeinsam mit unseren Partnern nehmen wir uns dieser Aufgabe an und werden künftig neben den üblichen fachlichen Inhalten in unseren Schulungssystemen auch vermehrt Lerninhalte bereitstellen, welche zu einem Tourismus im Sinne dieses neuen Bewusstseins beitragen. Zum einen natürlich, um die Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe zu sichern. Aber auch, um einzutreten für mehr Offenheit und Fairness, für mehr Nachhaltigkeit, für Innovationsgeist. Und nicht zuletzt auch, um die vielen Menschen in unserer Branche mit den nötigen Kompetenzen und dem Selbstvertrauen auszustatten, welche Sie benötigen, um sagen zu können:

„Ja, ich arbeite im Tourismus. Keine einfache Branche, aber meine Kollegen und ich, wir bekommen das hin.“